AND AND AND / Event 12 / Federico Zukerfeld und Loreto Garin Guzmán / CRISIS & REPRESENTATION / Buenos Aires / 19. bis 20. Dezember 2011
AND AND AND ist eine Künstlerinitiative, die den Zeitraum bis zur dOCUMENTA (13) im Juni 2012 nutzen wird, um gemeinsam mit anderen KünstlerInnen und Gruppen aus der ganzen Welt die Rolle von Kunst und Kultur und der adressierten Öffentlichkeiten in der heutigen Zeit zur Diskussion zu stellen. Die so entstehende Serie künstlerischer Interventionen und Ereignisse ist Teil der dOCUMENTA (13). Sie leistet eine Bestandsaufnahme unterschiedlichster zeitgenössischer Positionen und bietet verschiedene Anknüpfungspunkte für eine Auseinandersetzung.

'EL PITAZO' (Big whistle noise) Collective action. Photo by Hernan Cardinale / Etcetera Archive*
Zur zwölften Veranstaltung hat AND AND AND Loreto Garin Guzmán (Chile) und Federico Zukerfeld (Argentinien) eingeladen. Sie sind Mitbegründer der Gruppe Etcetera… und Mitglieder der International Errorist Bewegung. Für die AND AND AND-Reihe schlagen die Künstler einen kollektiven Spaziergang durch die Gärten und umliegenden Gebäude des öffentlichen Parque Centenario in Buenos Aires vor. Dies soll im Rahmen des Gedenkens an den zehnten Jahrestag des Volksaufstands in Argentinien vom 19. und 20. Dezember 2001 stattfinden.
Bis ins Jahr 2001 war Argentinien ein Labor für den neoliberalen Kapitalismus, frühes Beispiel der Barbarei, die durch Regulierungsmaßnahmen, Ausgabenkürzungen und Privatisierungen verursacht wurde. Infolgedessen fiel das Land in ein finsteres Loch, Ergebnis seiner Unterwerfung unter die Entscheidungen internationaler Kreditvergabeorganisationen und des Drucks der Märkte (die mit ihren Agenten vor Ort zusammenarbeiteten). Das argentinische Experiment ist ein Beispiel dafür, was »ein Land nicht tun sollte«, da das Volk die Konsequenzen einer solchen Politik zu tragen hatte (und immer noch trägt). Heute, zehn Jahre später, wird das Land weltweit als eines präsentiert, an dem sich exemplarisch zeigen lässt, »wie es einem Staat gelingen kann, aus der Krise herauszukommen«. Das gewaltige Paradox dabei ist aber, dass es jene Maßnahmen sind, die man heute auf dem ganzen Erdball zur Anwendung bringt, die auch in Argentinien angewandt wurden, ehe es dort zum gesellschaftlichen und ökonomischen Zusammenbruch kam.
Das Experiment CRISIS & REPRESENTATION bringt ein gesellschaftliches Readymade aus kontextueller Distanz ins Spiel: Es findet in den Gärten und zwischen den Gebäuden statt, die einen öffentlichen Park, den Parque Centenario, umgeben. In der gesamten Umgebung kam es hier im Jahr 2001 zu der größten Versammlung aller Stadtteile (asamblea interbarrial). Heute findet man in diesem Park unzählige Zäune, und an jenem Ort, wo die Versammlungen stattfanden, gibt es jetzt eine Mischung aus Flohmarkt und ständigem Volksfest sowie kulturelle Räume, die vom jungen Untergrund genutzt werden (um zu kochen, trinken, Musik zu machen usw.) Die »Party« des Konsumismus und der prekären Wirtschaft setzt sich in einem Raum fort, der als Spiegel für Krise und Wiederaufschwung funktioniert. Zieht man den »Spiegel« als metaphorische und konzeptionelle Chiffre heran, so organisiert und entwickelt sich das ganze Projekt entlang eines physischen und optischen Phänomens: Brechung, Reflektion und Überlagerung der Analogien gesellschaftlicher Prozesse reichern sich hier zu kollektiver Erinnerung und Identität an.
Das Projekt wird als eine Art Séanceerfahrung jüngster Erinnerungsgeschichte präsentiert, wobei die rebellischen Geister früherer Zusammenkünfte herbeigerufen werden (dort, wo sich jetzt ein Flohmarkt befindet). Sie setzt sich dann in den Ausstellungsräumen des Naturkundemuseums inmitten von Dinosauriern mit einem anthropophagen Picknick fort, wo den gemeinsamen Interpretationen der Diskursverschiebungen und Veränderungen der Erzählungen nachgegangen und der Sturz des Tyrannosaurus gefeiert wird. Dann geht es zurück in die Parkanlage, zu einem kleinen Fußballfeld, wo es zu einem improvisierten Fußballmatch und zu einer Debatte kommt: Streitbares Spiel, wo »jeder im selben Team spielt«. Der Spaziergang endet bei Sonnenuntergang mit einer Stern-Performance am Teleskop der Sternwarte, wo man in den Genuss kommen wird, beide Seiten des Mondes (und des Jupiters) betrachten zu dürfen, wenn man der neuen Konstellation ansichtig wird, die aus den ältesten Kosmogonien der marxistischen Re-Evolution hervortritt.
Termin: 19. – 20. Dezember 2011
Stadt: Buenos Aires
Land: Argentinien
Lage: 34º 36' 24'' S; 58º 26' 9'' O
Adresse: Parque Centenario
dOCUMENTA (13) ist für die Ansichten oder Tatsachenbehauptungen der ausgestellten Künstler und Kunstwerke nicht verantwortlich.
*»Seit der sozialen Krise des 19. und 20. Dezembers 2001, wurden alle Parkanlagen und öffentliche Plätze in Buenos Aires mit Zäunen und Sicherheitskameras versehen. Die Wächter benutzen ihre Trillerpfeifen, um Leute zu kontrollieren und aus dem Park zu werfen. Die Aktion bestand darin, hunderte Pfeifen an Menschen zu verteilen und selbige zur gleichen Zeit wie die Sicherheitskräfte zu benutzen und damit eine urbane Soundintervention gegen die Unterwerfung und für die freie Nutzung der öffentlichen Plätze zu kreieren.« (Frederico Zukerfeld and Loreto Garin Guzmán)
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