Horst Hoheisel: Reinigung des Aschrott-Brunnens am Dienstag, den 29. März 2011, um 10 Uhr
Der Künstler Horst Hoheisel wird gemeinsam mit der künstlerischen Leiterin der dOCUMENTA (13), Carolyn Christov-Bakargiev, am 29. März 2011 um 10 Uhr vor dem Kasseler Rathaus das monatliche Ritual der Reinigung seines Kunstwerks Negative Form durchführen, mit dem er – im Sinne eines Gegen-Denkmals – auf den zerstörten Aschrott-Bunnen hinweist.

Foto: Horst Hoheisel

Stadtarchiv Kassel
Der Aschrott Brunnen wurde von dem Architekten Karl Roth gestaltet und ist nach Sigmund Aschrott benannt, dem jüdischen Stifter, der den Brunnen 1908 der Stadt Kassel schenkte. Im April 1939 wurde der sich nach oben verjüngende Sandsteinobelisk des Brunnens vor dem Kasseler Rathaus von den Nazis zerstört.
Horst Hoheisel entwickelte seine Arbeit 1987, parallel zur documenta 8. Hoheisels Werk besteht aus einem umgekehrt in den Erdboden versenkten Hohlraum-Modell des 12 m hohen originalen Aschrott-Brunnen. Dazu wurde für einige Tage das Modell wie eine geisterhaft wiederauferstandene Form auf dem Platz ausgestellt, bevor sie mit der Spitze nach unten 12 Meter tief in den Boden versenkt und damit zum Spiegelbild des verschwundenen Orginalbrunnens wurde. Das Negativ ist mit einem begehbaren Gitter gesichert. So spürt der Passant die Leere unter seinen Füßen und sieht und hört, wie das Wasser von der Brunnenoberfläche in den zum Trichter gewordenen Obelisken hinunterstürzt. Es ist ein Geräusch, das uns “in die Tiefen der Geschichte” zieht, wie Hoheisel sagt, wo “wir vielleicht Gefühlen des Verlusts eines zerstörten Ortes oder einer verlorenen Form begegnen.”
Nach unten gekehrt und somit unsichtbar gemacht ist Hoheisels Brunnen eine Art “Gegen-Denkmal”, das mehr mündlich als real existiert, wie ein Gerücht, das die Geschichte und Erinnerung an den Holocaust aufrecht erhält und verbreitet. So wie der Künstler es begreift, ist es kein Ort, “an dem Blumen abgelegt werden”, für ihn ist der Ort “eine Wunde, die nicht verschlossen oder vertuscht werden kann.” In einem monatlichen Ritual reinigt Hoheisel persönlich den Brunnen, wie er es bereits seit 25 Jahren sorgfältig tut.
Am 29. März um 10 Uhr wird die künstlerische Leiterin der dOCUMENTA (13), Carolyn Christov-Bakargiev, und der Künstler gemeinsam den Brunnen reinigen. Christov-Bakargiev dazu: ”Dieser symbolische, geteilte Akt weckt auch die Erinnerung an frühe feministische Performances, die den Akt der Reinigung thematisieren; der lateinische Begriff “curare” – in seiner ursprünglichen Bedeutung von “sich um etwas kümmern” – wird hier wörtlich genommen, und die Erinnerung an die Leerstelle, die verlorene Form, erneuert.